Bugholendry e. V.
Verein "Mutterkolonie Neudorf und Tochterkolonien"

An den Bug nach Neudorf/ Neubrow - Slawatycze/ Domaczewo
April/ Mai 2011

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Der Reisebericht

Mit großer Neugier und Herzklopfen machten wir uns auf den Weg, um das uns bisher
unbekannte Land unserer Vorfahren kennen zu lernen. Alles Wissen aus der Vereinsarbeit und den Reiseberichten ist nichts im Vergleich mit der Erfahrung vor Ort mit den Menschen und Landschaften. Trotz unserer mangelhaften Polnischkenntnisse gab es keine Probleme mit all unseren Gastgebern und den vielen anderen, die wir trafen, zu einem herzlichen Miteinander zu gelangen. 

Unsere kleine Reisegruppe traf sich in Frankfurt/O., Jens Ryl unser trefflicher Organisator, Übersetzer und umtriebiger Reiseleiter, sowie zwei waschechte Bugholendry-Nachkommen; Herr Heiner Ludwig und Frau Erika Rechner, geb. Baum und deren interessierte Ehepartner Katrin und Günter.

 

 

 

Im Hotel „Zastronek“ in Slawatycze- Liszna wurden wir zum Abendbrot mit einheimischer Küche unserer Wirtin Christina und von Antoni Chorazy herzlich empfangen. Antoni, unser steter und fürsorglicher Reisebegleiter, scheute keine Mühe unsere Tage vor Ort unvergessen zu machen. Herzlichen Dank von uns allen dafür.

So besuchten wir am nächsten Morgen, bevor uns einer der Höhepunkte ein ökumenischer Gottesdienst erwartete, erstmals den Bug bei strahlendem Sonnenschein über Straßen und Wege, die bereits unsere Vorfahren benutzten. Was für ein Anblick, der sich uns auftat.

Um 10:00 Uhr begann der ökumenische Gottesdienst in der katholischen Kirche. Viele
einheimische Nachfahren von Bugholendry, Angehörige von drei Konfessionen und selbst
Schüler der nahe gelegenen Schule nahmen daran teil. Sie bekamen extra für die Teilnahme an diesem Gottesdienst schulfrei. Es war eine prima Idee der Veranstalter mit diesem Gottesdienst die länder- und religionsübergreifenden Vorstellungen unseres Vereins und der heute in Slawatycze Lebenden auszudrücken und somit die Herzen der Menschen zu erreichen.





Gottesdienst ökumenischer Gottesdienst

Mit Andacht verfolgten wir Predigten und liturgische Gesänge  des katholischen Pfarrers Zbigniew Zalewski, der auf die Namen und „Spitznamen“ der Bugholendry einging, und die des russisch orthodoxen Priesters Michał Wasilczyk.
Zu unserer Freude hielt Herr Dr. Darius Chwastek von der Evangelisch-Augsburgischen Trinitatis-Gemeinde zu Lublin  die Predigt in polnischer und deutscher Sprache und überbrachte Grüße seiner Gemeinde, die bis weit über Slawatyce hinaus geht.

Im Kulturzentrum, wo wir und einheimische Bugholendry empfangen wurden, begann anschließend die dritte Veranstaltung anlässlich unserer Geschichte am Bug. Nach den Willkommensgrüßen von Bürgermeister Boleslaw Szulej (Organisator des heutigen Tages), ging Antoni Chorazy in seinem Vortrag auf die Historie der Bugholendry und auf die Tätigkeiten und Projekte unseres Vereines ein. So wurden bereits erste Termine für unsere 400 Jahr Feier 2017 vorgeschlagen und zu unser aller Freude haben wir jetzt einen eigenständigen länderübergreifenden Namen „Bugholendry“
(Bug-olendry).
Auch der Starosty des Bezirkes Biala Podlaska, Herr Tadeusza Łazowskiego, in Deutschland mit dem Landrat vergleichbar, gab uns die Ehre seines Kommens und Frau Bronislava Selent trug trotz ihres hohen Alters mit Bravour ein vielstrophiges Gedicht unserer Urväter vor, was uns alle sehr anrührte.

 


Nach einem Besuch der örtlichen Schule, wo wir vom Direktor begrüßt und zu einem Mittagstisch eingeladen wurden, begann eine für uns unvergessliche Floßfahrt auf dem Bug. Begleitet von einem Gesangs/Gitarre Duo, welches uns köstlich unterhielt. Wir sangen polnische, deutsche und internationale Volksweisen, auch ohne Sprachkenntnisse. Die Stimmung erreichte Ihren Höhepunkt, als  Heiner Ludwig mit seiner Mundharmonika aus dem Duo ein Trio machte.
Die Fahrt auf unserem Namensgeberfluß „Bug“ vorbei an den  alten Siedlungen von Neudorf und Neubruch war nicht nur fröhlich, sondern auch für uns sehr emotional.


Bug vom Floß aus gesehen Floßfahrt

Auch unsere Reisegruppe unternahm den Tagesausflug nach Domachewo in Weißrussland,
wo uns Ivan Prokopjuk mit Frau, Kind und Mutter herzlich empfing und bewirtete. Erfreulich,
dass uns mit Anna Volontsevich eine aufgeschlossene, fröhliche Dolmetscherin an die Seite gestellt wurde.
Nach einem Termin beim Bürgermeister, wo der Wunsch nach einer dauerhaften Gestaltung des Friedhofs weiter konkretisiert wurde, führte uns Ivan durch die Siedlungslandschaft des alten Neubrow, zeigte uns die Grabsteinreste auf dem verfallenen Friedhof und einen alten Obstgarten unserer Vorfahren. Wir sahen die leider nur spärlichen Spuren unserer Eltern, wie sie auch in den vorherigen Reiseberichten von Siegfried Ludwig und Jens Ryl nachgelesen werden können.
Bemerkenswert war, dass eine Ferienhaussiedlung aus den 20-er Jahren, die von einigen Bugholendry errichtet wurde, heute noch steht. Frau Rechner (Baum) wusste das noch aus den Erzählungen Ihres Großvaters, der dort auch gebaut hatte.
Je mehr man forscht und den Kontakt pflegt, besonders auch im Verein, es kommen immer wieder neue Bruchstücke zu Tage.

Es war ein guter Gedanke der Initiatoren, uns auf einer kleinen Rundreise Stätten der Pflege einheimischer Kultur zu zeigen. So spielte und tanzte in Hrud eine Gruppe in Volkstracht, wir tanzten gleichfalls mit. Sie zeigte uns alte Techniken der Flachsverarbeitung, welche ebenso unseren Ahnen bekannt waren. Gezeigt wurden unter anderem wunderschöne und farbenfrohe Festtagskleider aus alter Zeit.  Aus Erzählungen ist uns bekannt, dass auch in  Bugholendry-Häusern  Spinnräder und teilweise Webstühle standen. In Sitnik, einem weiteren Ort, erhielten wir einen Einblick in das derzeitige Kulturleben in einer dörflichen Gemeinde mit Bibliothek, Ausstellungen von Arbeiten der Mal- und  Handarbeitsgruppen und in die polnische Kunst der Spitze.



Ein weiter Höhepunkt war ein Treffen in Neudorf mit einheimischen Bugholendry und deren Nachkommen. Im Dorfgemeinschaftshaus wurde kräftig aufgetafelt, musiziert und getanzt.
Den Initiatoren dieses Treffens gelang es, den noch lebenden Bugholendry vor Ort das Bewusstsein für die Geschichte zu stärken und Sie für unser gemeinsames Anliegen zu gewinnen.
Es wurde wie in alten Zeiten aufgetafelt. Jeder hatte etwas beigesteuert. Hausgeschlachtetes, gebratene Fische, Gurken , vielfältiges Gebäck und natürlich Wodka. Musik durfte nicht fehlen!
Ein Akkordeonspieler spielte unermüdlich und wurde von einem Trompeter begleitet.
Ein denkwürdiger und fröhlicher Abend mit Berührungspunkten bei Tanz und Gespräch.

Die Rundgänge durch die Ortsteile von Neudorf unter Antonis Anleitung ließen uns eindrucksvoll  die Lebensweise unserer Eltern erahnen. Als wir am mutmaßlichen Elternhaus von Heiner Ludwig standen, waren alle gerührt.

Zum Schluss soll nicht unerwähnt bleiben, dass die An- und Abreise mit Zwischenübernachtung von Vorteil ist. So hatten wir Gelegenheit die Weichsel mit einer Fähre zu überqueren und die Stadt Lodz mit ihren eindrucksvollen Bauwerken aus der Hochzeit der Textilindustrie der 1880-er Jahre und ihrer modernen Umnutzung mit einer deutschsprachigen Stadtführerin zu entdecken. Wir streiften die Stadt Pabianicze, die viele unserer Bugholendry als Durchgangslager kennen. Sogar eine noch bekannte Adresse mit Straße und Hausnummer(Zamkowa 32), wo unter anderen auch die Familie Baum untergebracht war, konnten wir finden.

Es war eine geglückte Reise mit bleibenden Erinnerungen. Wir danken allen, die zum unvergesslichen Gelingen beigetragen haben. Besonders freuen wir uns, dass wir bei den Bürgern des Landes, der örtlichen Verwaltung und den Kirchenvertretern mit unserem Anliegen auf ein breites Echo gestoßen sind und viel Unterstützung erfahren haben.  Unsere kleine, bisher wenig bekannte Volksgruppe erfährt eine immer größere Beachtung.
Nicht alle unsere Erlebnisse und Begegnungen konnten wir der Fülle wegen hier niederschreiben, aber                     wir können allen Interessierten nur sagen:

Macht die Reise, sie wird Euch gut tun!“

Erika Rechner, im Namen der Reisegruppe

 

 

 


 

 

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